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Realitätserfassungstechnologie als Teil des großen städtebaulichen Umdenkens

Scanning with Focus Panocam

Während das Vereinigte Königreich, wie der Rest der Welt, nach wie vor mit Covid-19-Fällen zu kämpfen hat, ist die Planung für eine „neue Normalität“ weiterhin in vollem Gange.

In der City of London etwa (der 1,1 Quadratmeilen großen zeremoniellen Grafschaft, die das Zentrum von Greater London darstellt) erreichten die Bauanträge für Büroflächen in den ersten drei Monaten des Jahres 2021 bereits 80 Prozent des Vorjahresvolumens. Das Bishopsgate-Zwillingshochhausprojekt, das Platz für rund 17.000 Arbeitskräfte bietet, nähert sich derweil der für den Herbst geplanten Eröffnung. Längerfristig plant die Stadt, bis 2036 rund 121.000 Quadratmeter zusätzlicher Einkaufsfläche zu erschließen, da man hofft, die Square Mile in ein vielfältigeres, lebendigeres Viertel mit gemischter Nutzung umzugestalten.

Es ist keine leichte Aufgabe, solch hochgesteckte Bauziele zu erreichen. Die Vorbereitung von Gebäuden auf den nach der Pandemie zu erwartenden massiven Anstieg der Innenraumnutzung erfordert erhebliche Investitionen in Systeme für Mechanik, Elektrik und Sanitär (MEP). Dies betrifft sowohl neue Projekte wie Bishopsgate als auch die Nachrüstung älterer Gebäude im Bereich der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik sowie die Umgestaltung von öffentlichen Außenbereichen. MEP-Auftragnehmer setzen zunehmend auf eine Vielzahl von Hardware- und Softwarelösungen zur Realitätserfassung, die es den Unternehmen ermöglichen, ihre Kosten zu optimieren, die Effizienz ihrer Arbeitsabläufe zu steigern, den Abschluss von Projekten zu beschleunigen und – was vielleicht am dringendsten ist – die anhaltenden Gesundheits- und Sicherheitseinschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 zu bewältigen, während sie sich gleichzeitig auf diese langfristige „neue Normalität“ vorbereiten.

Durch das 3D-Laserscanning der physischen Bestandsobjekte und die Umwandlung dieser BIM-Daten in virtuelle, freigabefähige digitale Zeichnungen steht den MEP-Ingenieuren ein unvergleichliches Werkzeug zur Verfügung. Kürzlich erläuterte Kristopher Atkinson, Field Application Engineer bei FARO Technologies UK Ltd, dieses Potenzial und die wachsende Reichweite der Realitätserfassung.

„Die Realitätserfassung hat sich in den letzten Jahren in der MEP-Branche immer stärker durchgesetzt; ich bin immer noch erstaunt über die schiere Größe dieser Labyrinthe von Rohrleitungen und Anlagen, die alle darauf drängen, im Zuge der Digitalisierung des Bauwesens korrekt dokumentiert oder gemessen zu werden“, so Atkinson. „Technologien wie Laserscanning und Realitätserfassung ermöglichen es, diese Umgebungen in kürzester Zeit und mit einem einzigen Knopfdruck dicht abzubilden.“

Zugängliche Realitätserfassung

Es wird außerdem sicherer abgebildet als je zuvor. Selbst Bereiche, die früher als unzugänglich galten, können nun mit 3D-Laserscannern erfasst werden, die jede Sekunde Millionen von Messungen vornehmen. Im Gegensatz dazu sind manuelle Messungen von physischen Objekten zeitaufwändig, mühsam und fehleranfällig und der Personalaufwand für diese Aufgabe ist mindestens doppelt so hoch.

Für MEP-Fachleute ist die Realitätserfassung eine wahre technologische Wunderwaffe, die es den Akteuren der Branche ermöglicht, ihre Arbeit mit einem Minimum an Unterbrechungen fortzusetzen. Während viele Mitglieder eines Projektteams aufgrund von Lockdowns und Einschränkungen keinen Zugang zu einer Baustelle hatten, konnten das Projektmanagement und die Überwachung aus der Ferne mittels Laserscanning fortgesetzt werden. Darüber hinaus hat sich durch das Fehlen von anderen Arbeitskräften auf der Baustelle eine einzigartige Gelegenheit ergeben: Dank der geringen Anzahl von Menschen ist das Gebäude noch einfacher zugänglich und Unterbrechungen des laufenden Geschäftsbetriebs werden auf ein Minimum beschränkt.

Ohne dieses geschäftige Treiben kann ein Ein-Mann-Team (unter Berücksichtigung der COVID-19-bezogenen Vorsichtsmaßnahmen) die Bestandsumgebung zu einem bestimmten Datum und einer bestimmten Uhrzeit abbilden. Diese Daten können dann über die modernen cloudbasierten Plattformen für den Austausch von Daten mit dem Rest des Planungsteams geteilt werden. Der Zugriff auf Daten über solche Plattformen ermöglicht es den Planungsteams, genau zu sehen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt geschah, welche Projekte und Teilprojekte voranschreiten und ob es Probleme gibt, die behoben werden sollten. Einige dieser Softwarelösungen beinhalten ein Virtual-Reality-Headset, das eine First-Person-Perspektive der tatsächlichen Baustelle ermöglicht – selbst wenn der Bediener dieses VR-Geräts Tausende von Kilometern von dem eigentlichen Projekt entfernt ist, so Atkinson.

Fazit: Die Realitätserfassung liefert eine realitätsnahe Darstellung der physischen Bestandsumgebung, wie sie ein Modell niemals erreichen könnte. Darüber hinaus dient die Technologie auch als Ausgangspunkt für die Nutzung der Punktewolkendaten in neuen Arbeitsabläufen und Prozessen, die einen Mehrwert und zusätzliche Dienstleistungen für MEP-Ingenieure sowie deren Kunden und Unterauftragnehmer bieten können.

Focus Panocam in einem Kühlraum

Mit den gewonnenen Erkenntnissen in die Zukunft

Natürlich ist dies nicht das erste Mal, dass der Großraum London nach einer biologischen Katastrophe seine künstlichen physischen Räume und die dazugehörige Infrastruktur neu erfinden muss. Im Jahr 1854 starben bei einem verheerenden Choleraausbruch in der Broad Street (heute Broadwick Street) in Soho mehr als 600 Menschen, bis der Arzt John Snow die Quelle der Magen-Darm-Infektion (eine Babywindel, die im örtlichen Brunnen gewaschen wurde) korrekt identifizierte und dessen Erkenntnisse zu neuen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen führten, die die Sicherheit des Trinkwassers in London gewährleisteten.

Im Zuge der Bemühungen des Vereinigten Königreichs und der ganzen Welt, die derzeitige globale Pandemie zu überwinden, müssen neue Wege des Bauens, der Belüftung, der räumlichen Trennung von Arbeitskräften und ihrer Arbeit sowie neue Wege des Zugangs zu und der Gestaltung von mechanischen, elektrischen und sanitären Systemen beschritten werden. Vorerst werden viele dieser Bestandsdaten mit 3D-Laserscannern erfasst, die von Menschen bedient werden.

Aber wie sieht es mit der Zukunft aus – einer Zukunft, in der die anhaltenden Auswirkungen von Covid-19 zumindest ein gewisses Maß an Remote-Arbeit und Datenerfassung aus der Ferne nahelegen werden? Kristopher Atkinson ist der festen Überzeugung, dass in dieser nahen Zukunft die Rahmenbedingungen für eine Weiterentwicklung der Technologie in Richtung des Konzepts des digitalen Zwillings geschaffen werden, bei dem Echtzeitüberwachung und Sensordaten von physischen Objekten in digitalen Modellen zusammen mit autonomen und halbautonomen Robotern eingesetzt werden, die quasi „den Laden schmeißen“.

„Während die Debatten um digitale Zwillinge und die Menge an Daten, die wir jetzt erfassen, zunehmen, sehe ich, dass die grundlegenden Arbeitsabläufe der Realitätserfassung immer noch eine wichtige Rolle im Projektmanagement spielen, aber ich sehe auch eine Bewegung hin zur Automatisierung dieser Prozesse und zur Nutzung der Leistungsfähigkeit von Cloud Computing,“ führt Atkinson aus. „Nehmen wir zum Beispiel Boston Dynamics, ein in den USA ansässiges Unternehmen, und seinen vierbeinigen Roboter SPOT. Ausgestattet mit Technologie zur Realitätserfassung kann der Roboterhund auf Baustellen herumlaufen und von Zeit zu Zeit anhalten, um einen Scan durchzuführen. Wenn die Bauarbeiter am Morgen zurückkommen, kann die Umgebung bereits vollständig abgebildet sein. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auf der Baustelle automatisierte Roboter Seite an Seite mit uns arbeiten.“

Bis es soweit ist, wird das große Umdenken in der Stadtplanung in Großstädten wie London und anderen Metropolen auf der ganzen Welt weitergehen.

Selbst wenn das unbeständige britische Wetter in den kommenden Herbstmonaten ungemütlich wird, werden Gebäude wie 8 und 22 Bishopsgate zusammen mit ihren MEP-Elementen beweisen, dass die Zukunft des Lebens – und Arbeitens – in der Stadt weiterhin vielversprechend aussieht.

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